Klaus Mudersbach, Heidelberg 1992: Wie vermeidet man Denkfehler beim Formulieren von wissenschaftlichen Theorien?

1 Einleitung

Eine wissenschaftliche Theorie oder ein Modell (im folgenden synonym verwendet)
dient dazu,

  • empirische Daten, die in bezug auf eine bestimmte Frage- oder Problemstellung erfaßt worden sind,
  • einheitlich, d. h. in einem bestimmten sprachlichen und konzeptuellen Rahmen zu beschreiben.

Denkfehler können sich dann einschleichen, wenn man bei der Modellfindung
bestimmte Prinzipien nicht beachtet.

Mit „Denkfehler“ (oder engl. „fallacy“) sind hier weniger die logischen Fehlschlüsse (wie petitio principiicirculus vitiosus, etc.) gemeint, als vielmehr Verstöße gegen wissenschaftstheoretische Prinzipien, die mit allgemeinen Denkvorgängen zusammenhängen.

Selbstverständlich soll der übliche Anspruch an die formale Struktur einer Theorie auch gestellt werden:

  • Sie soll konsistent und sachangemessen präzise formuliert sein,
  • Mehrdeutigkeiten und Vagheiten sollen vermieden werden.

Aber diese Ansprüche lassen sich überhaupt erst stellen, wenn (mindestens) die nachfolgend erläuterten Prinzipien explizit oder implizit beachtet worden sind.

Der Zweck der grundlegenden Fragen bzw. Prüfung anhand der Prinzipien ist daher:

  • der Verfasser kann die neuartigen Eigenschaften des Modells anhand der Prinzipien
    besser kennenlernen,
  • er kann das Neuartige besser herauspräparieren (im Vergleich mit den bisherigen
    Modelldarstellungen),
  • damit die Akzeptanz der Darstellung erhöhen und
  • sich somit gegen Unverständnis oder Mißverständnis absichern.

Denn je neuartiger ein Vorschlag ist, um so größer werden die mentalen Widerstände
gegen die Übernahme eines solchen Modells sein und desto wichtiger ist es,
auf mögliche Kritikpunkte und Hinweise auf Fallacies vorbereitet zu sein. Daher
wird am Ende in der Zusammenfassung ein Schema zur Prüfung der Prinzipien
und Auffindung möglicher Fallacies angegeben.

2 Gliederung eines wissenschaftlichen Textes

Um sich die Rolle der Prinzipien beim Darstellen von Theorien klar machen zu
können, soll zunächst nach der Funktion der Theoriekomponente im Gesamtaufbau
einer wissenschaftlichen Abhandlung gefragt werden. Wir stellen also die
Frage: „Wie verfaßt man eine wissenschaftliche Arbeit?“ Wenn man Anleitungen
mit diesem oder ähnlichen Titeln aufschlägt, so wird man über alles informiert,
was mit dem Vor- und Nachbereiten einer Abhandlung zusammenhängt, aber nicht
darüber, wie der Hauptteil der Arbeit aufgebaut sein soll. Statt der bequemen Antwort,
das lasse sich nicht allgemein vorgeben, weil es vom Thema abhänge, soll
hier ein allgemeiner Strukturierungsvorschlag gewagt werden. Er orientiert sich an
dem Leitgedanken: Die Gliederung der schriftlichen Darstellung einer wissenschaftlichen
Untersuchung wird grosso modo durch den Ablauf der Untersuchung
bestimmt.

Die Darstellung der Ergebnisse der Untersuchung unterscheidet sich von der „Herstellung“
der Ergebnisse hauptsächlich dadurch, daß heuristische Sackgassen oder
Suchschleifen „verschwiegen“ werden dürfen.

Fragen wir daher zunächst: in welchen Schritte läßt sich der Ablauf des wissenschaftlichen
Forschungsprozesses gliedern? Mit der Angabe der Schrittfolge ist
dann nach dem oben genannten Leitgedanken auch der Aufbau der Darstellung der
Ergebnisse gegeben.

Ich schlage für die Gliederung des Forschungsablaufs (und damit auch der wissenschaftlichen
Abhandlung) eine Abfolge von fünf Schritten vor und fasse diese in
einer Abkürzung zusammen: PRODAINFORMAD.

Was ist damit gemeint?

PRO- steht für die PROblem- oder Fragestellung, die der Wissenschaftler bearbeiten
will.

DA- steht für die zu PRO gesammelten DAten, die entweder direkt aus dem
Phänomenbereich zusammengestellt oder nach geeigneter Vorbereitung
einer „reinen Versuchsanordnung“ gewonnen wurden.

IN- bezeichnet den ersten INtuitiven, INformalen Lösungsansatz, den der Forscher
vorschlägt: In ihm sind die Größen bzw. Aspekte enthalten, von
denen er glaubt, daß sie die Eigenschaften der Daten beeinflussen bzw. die
Vielfalt der Variation in den Daten erklärbar machen.

FORM- bezieht sich auf die daran anschließende FORMale Modell- oder Theorie-
Bildung, die sich bestimmten wissenschaftsinternen und wissenschaftstheoretischen
Prinzipien verpflichten muß, um stimmig zu sein und Denkfehler
zu vermeiden.

AD- bezeichnet die abschließende ADäquatheitsprüfung des Modells in bezug
auf die Fragestellung und die Daten. D. h.: ob die Frage vollständig beantwortet
wird und alle Daten angemessen beschrieben werden.
Zweck dieser Kurzformel ist: Sie sollte jedem wissenschaftlich Arbeitenden als
methodische Orientierungshilfe dienen,

  • wenn er sich den Verlauf einer Untersuchung klar machen will,
  • wenn er selbst eine Abhandlung zu schreiben hat
  • bzw. eine vorhandene Abhandlung beim Lesen strukturieren will.

PRODAINFORMAD ist also nicht nur für den Studienanfänger gedacht: Es würde
die (geistes)wissenschaftliche Kommunikation im allgemeinen erleichtern, wenn
sich alle Forscher an dieses oder ein ähnliches einheitliches „Schreibprogramm“
hielten. Damit aber diese Formel besonders dem Studienanfänger beim methodischen
Vorgehen helfen kann, muß man ihm noch ein Geheimnis verraten: Methoden
helfen nur, wenn man sie auch anwendet. – Daß dies nicht nur das Problem
von Studienanfängern ist, ist kein Geheimnis.

Dem fortgeschrittenen Wissenschaftler, der sich spezialisiert hat, z. B. nur auf die
Theoriebildung oder nur auf die Perfektionierung der Datenerhebung, verrät die
Formel PRODAINFORMAD sogar ihren „fraktalen“ Aspekt: auch wenn der
Arbeitsbereich noch so spezialisiert ist, der wissenschaftlich Arbeitende wird sich
immer erst das Problem klarmachen müssen (PRO), dann sich fragen, welche Wissens-
Vorgaben (DA) er beachten muß bei der Lösung (INFORM), um dann zu
sehen, ob die Lösung „gut“ war (AD).

2.1 Die Fallacy der Ontisierung der Beschreibung

Wenn man ein Modell konzipiert hat, das durch die Daten bestätigt wird, so darf
man nicht den Fehler begehen, das Modell für die Realität selbst zu halten und die
Beschreibung mit dem Phänomen (im ontischen Bereich) gleichzusetzen (Fallacy
der Ontisierung der Beschreibung). Dieser Hinweis scheint überflüssig zu sein,
weil hier der Unterschied zwischen Phänomen und Modell explizit hervorgehoben
wurde. Aber wenn z. B. eine umfassende Beschreibung von grammatischen Phäno
menen des Deutschen als „Die Grammatik des Deutschen“ bezeichnet wird (Definit,
Singular!), dann liegt diese Fallacy schon vor. Denn damit wird jede denkbare
Modellalternative ausgeschlossen. Es wird der Eindruck erweckt, als ob man nur
auf das Phänomen zu schauen bräuchte, um das beschreiben zu können, was man
da „vor Augen hat“. Daß es beim Modellieren je nach Blickwinkel verschiedene
Möglichkeiten gibt, Wesentliches von Unwesentlichem durch Abstraktion zu trennen,
wird nicht beachtet (vgl. dazu auch Abschnitt 4.3, F6.3).

2.2 Rolle der Prinzipien

Die Prinzipien machen die unterschiedlichen Blickwinkel beim Modellieren
bewußt und zeigen dadurch auch, welche Fragen bei einer bestimmten Modellierung
beantwortbar sind und welche nicht. Sie stellen unterschiedliche Denkstrukturen
dar, die sowohl beim Handeln und Nachdenken im Alltag als auch beim wissenschaftlichen
Erfassen von Wirklichkeit sowie bei der sprachlichen Darstellung
der Ergebnisse eine Rolle spielen. Die Prinzipien betreffen auch alle Teile des wissenschaftlichen
Vorgehens und alle Teile der Darstellung der Ergebnisse: also die
Fragestellung, die Datenerfassung und die Modellbildung.

Eigentlich müßten diese Prinzipien hier zunächst als allgemeine Denkprinzipien
eingeführt und danach auf den Spezialfall angewandt werden, der hier interessiert:
das Darstellen einer wissenschaftlichen THEORIE oder eines Modells. Aus Platzgründen
werde ich die Prinzipien bis auf wenige Ausnahmen aber gleich an diesem
Spezialfall veranschaulichen und dazu die jeweiligen Fallacy-Möglichkeiten erörtern.
Die Darstellung jedes Prinzips ist folgendermaßen aufgebaut:

(1) Formulierung des Prinzips,

(2) Darstellung der im Prinzip aufgeführten Positionen bzw. Ebenen bzw. Perspektiven
in Verbindung mit einem Beispiel und eventuell

(3) die Diskussion der Vor- und Nachteile der verschiedenen Alternativen, schließlich
die

(4) Fallacy-Möglichkeiten und wie man sie bei der Darstellung von Theorien vermeiden
kann.

Die 4 Prinzipien heißen:

  1. Das Prinzip des Atomismus, Holismus und Hol-Atomismus.
  2. Das Prinzip der Individual-, Kollektiv- und System-Ebene.
  3. Das Prinzip der Teilnehmer- vs. Beobachter-Perspektive.
  4. Das Prinzip: Interesse vs. Exhaustivität.

3 Das Prinzip des Atomismus, Holismus und Hol-Atomismus

3.1 Das Prinzip lautet:

Man soll sich bei der Theoriebildung für eine atomistische oder eine holistische
Vorgehensweise entscheiden. Beides zugleich geht nicht.

3.2 Darstellung der Positionen

3.2.1 Atomistische Vorgehensweise

Ausgehend von vorgegebenen Basiselementen (Atomen) werden Kompositionsregeln
angewandt, die die Basiselemente miteinander zu wohlgeformten Strukturen
„komponieren“. In einer Theorie, die atomistisch aufgebaut ist, müssen als Basiselemente
(undefinierte) Grundbegriffe oder (quantitativ verstandene) Parameter
vorgegeben werden, (und zwar handelt es sich dabei jeweils um ein Muster (engl.
„Type“), das als Exemplar (engl. „Token“) reproduziert werden kann (so wie es zu
einem Wort als Type mehrere Vorkommen (Token) in einem Text geben kann). Die
Basiselemente sind meist nach Kategorien klassifiziert. Die Kompositionsregeln
werden für Basiselemente bzw. deren Kategorien sowie für zusamengesetzte
Strukturen bzw. deren Kategorien formuliert.

Eine typische Regelformulierung (mit dem Basiselement b1 und den Kategorien
C1, C2, C3) hat die Form (vgl. Montague 1974a, 238f. und Montague 1974b,
249ff.):

Kompositionsregel für b1, C1 und C2:

Gegeben sei ein Basiselement b1, ein Element c1 der Kategorie C1 sowie ein Element
c2 der Kategorie C2. Mit der Operation * des Hintereinanderstellens läßt
sich dann als wohlgeformte Struktur der Kategorie C3 der Ausdruck <c1*b1*c2>
bilden.

Hieran sieht man, daß die Elemente nicht in der Reihenfolge eingeführt werden
müssen, in der sie dann in der Verknüpfung vorkommen. Außerdem gehört das
Basiselement b1 konstant zu diesem Strukturtyp, während die Elemente aus den
Kategorien C1 und C2 variieren können (und damit auch die erzielte „komplexen
Struktur“ aus C3). Regeln, die „komplexe Strukturen“ miteinander verbinden, führen
zu „höher-komplexen Strukturen“. Zur Komplexität einer Struktur lassen sich
Kriterien angeben.

Beispiele für solche Theorien sind: grammatische Regelsysteme (sofern sie keine
ausgezeichnete Abschlußkategorie, wie die des Satzes haben, siehe dazu 3.1.5),
z. B. formale Generierungssysteme, die beliebig komplexe Ausdrücke zu bilden
gestatten. Vor- und Nachteile dieses Vorgehens werden in 3.1.4 behandelt.

3.2.2 Holistische Vorgehensweise

Das holistische Vorgehen beginnt mit einer vorgegebenen Ganzheit (Gestalt), z. B. einer Maschine, die einem bestimmten Zweck dient, oder einer als Ganzheit konzipierten Theorie für einen bestimmten Zweck. Eine Ganzheit (im folgenden auch
Holon genannt, ist immer mit einem bestimmten Zweck in einem noch größeren
Ganzen verbunden. So ist z. B. das Abfassen einer Theorie (als Holon) mit dem
Zweck verbunden, innerhalb des größeren Rahmens des wissenschaftlichen Forschens
eine Erklärungsbasis zur Verfügung zu stellen (z. B. der Gesamtrahmen,
wie er oben eingeführt wurde). Das Holon enthält Teile, die ihrerseits Funktionen
oder Teilzwecke innerhalb des Gesamtzwecks des Holons übernehmen, d. h. aus
den Teilzwecken der Teile läßt sich der Gesamtzweck funktional zusammensetzen.
Solche funktionalen Teile nenne ich im folgenden auch Holeme, ein Kunstausdruck,
der die Einbindung in ein Ganzes durch die -em-Endung ausdrücken soll.
In einer holistisch dargestellten Theorie sind alle Theorieteile (Holeme) aufeinander
und auf das Ganze bezogen. Jeder Teil hat seine unverwechselbar eigene Aufgabe
im Ganzen (seinen Eigenwert; dies entspricht dem Begriff valeur bei de Saussure
(1967 [1916], 94 und 131) bzw. der Rolle der Teile einer dramatischen Handlung
(als Ganzes) bei Aristoteles, Poetik 1451a30-36). Z. B. ist eine Theorie, die
die Wohlgeformtheit des Satzes als die betrachtete Ganzheit (mit einem bestimmten
Zweck) annimmt, mit der Aufgliederung in Satzteile (Holeme) verbunden, von
denen jeder eine bestimmte Teilfunktion innerhalb des Satzes übernimmt.
Holeme können eventuell selbst wieder als relative Ganzheiten mit funktionalen
Teilen aufgefaßt werden (Subholeme genannt). So ergibt sich ein hierarchisches
Bild für die Aufgliederung eines Holons in Holeme, eines Holems in Subholeme
1. Stufe und eines Subholems 1. Stufe in Subholeme 2. Stufe usw.

3.2.3 Die hol-atomistische Verknüpfung von beiden Extremen

Man kann eine Brücke zwischen den beiden extremen Positionen des Atomismus
und des Holismus konstruieren. Diese kann aber nur als sekundäre Vermittlungsstrategie
fungieren, nachdem man beide Positionen für sich entwickelt hat. Diese
Brücke kann also selbst nicht „gewählt“ werden, da sie ja zwei „Brückenpfeiler“
voraussetzt. Dasselbe gilt auch für die Darstellung: Man soll erst die gewählte
Position, z. B. die atomistische, in „Reinkultur“ darstellen, danach kann man die
entsprechende Gegenposition, also z. B. die holistische, diskutieren und aufzeigen,
welche Phänomene sie im Gegensatz zur atomistischen behandeln kann. Daraus
ergibt sich dann das Programm dafür, was in „hol-atomistischen“ Zwischenstufen
noch einbezogen werden kann. Für die ausführliche Darstellung muß auf Mudersbach
(1983a und b, 1990 sowie 1994) verwiesen werden.

3.3 Diskussion der Vor- und Nachteile

Bevor man also eine Theorie konzipiert, muß man zunächst entscheiden, ob man
atomistisch oder holistisch modellieren will. Nach dieser Entscheidung sind
jeweils bestimmte Fragen oder Ansprüche an die jeweilige Theorie nicht mehr
stellbar.

Der Vorteil des atomistischen Vorgehens ist: beliebig viele Strukturen aufbauen zu
können. Der Nachteil: kein Ende zu finden.

Der Vorteil des holistischen Vorgehens ist: maßgeschneidert einen bestimmten Typ
von Ganzem beschreiben zu können, aber der damit verbundene Nachteil ist: dafür
keinen atomistischen Anfang finden zu können. Die Vorteile beider Positionen
sowie die neue Qualität der kontextbezogenen Flexibilität lassen sich in dem oben
erwähnten anzuschließenden hol-atomistischen Vorgehen zusammenführen, allerdings
um den Preis einer erhöhten Komplexität der Darstellung.

3.4 Fallacy

Die Fallacy beim atomistischen Vorgehen besteht darin, zugleich eine Gestalt und
damit verbundene Holem-Funktionen modellieren zu wollen. Umgekehrt führt
eine holistische Beschreibung, die mit Atomen beginnt ebenfalls zu einer Fallacy.
Solche holistischen „Pseudo-Atome“ sind allenfalls Sub-Subholeme, die aus dem
Wissen heraus, zu welchem Ganzen sie letztlich beitragen sollen, so konstruiert
worden sind (so sind z. B. alle Sem-Inventare Pseudoatome in diesem Sinn).
Ebenso sind alle Basiskategorien einer Grammatik, deren Konstruktionsregeln auf
den Satz als abschließende Kategorie (Holon) gerichtet sind, Pseudoatome.
Daraus ergibt sich: Holon darf nicht mit Struktur verwechselt werden; Holeme
nicht mit Atomen, holistische Zerlegungsregeln nicht mit der Umkehrung zu atomistischen
Kompositionsregeln. „Pseudoatomistische“ Theorien müssen hinsichtlich
ihres Status hinterfragt werden (von welchem Holon ausgehend wurden die
Pseudoatome konstruiert?), weil sie eine Verallgemeinerbarkeit vorspiegeln, die sie
tatsächlich nicht einlösen wollen.

4 Das IKS-PRINZIP

4.1 Das IKS-PRINZIP lautet:

Man soll sich bei der Planung einer wissenschaftlichen Untersuchung für eine der
folgenden drei Untersuchungsebenen entscheiden:

  • I – die Individual-Ebene,
  • K – die Kollektiv-Ebene,
  • S – die System-Ebene.

Die Abkürzung der Namen der Ebenen ergibt: „IKS“.
Spezialisiert auf unsere Fragestellung nach der Darstellung von Theorien besagt
diese Ebenen-Unterteilung: Angenommen, man hat eine Untersuchung auf einer
dieser Ebenen durchgeführt und ist beim Theorieteil angelangt, dann gilt: Bei der
Erstellung und Darstellung einer Theorie zu einer Untersuchung auf einer
bestimmten der drei Ebenen muß man darauf achten, daß die Theorie ebenfalls
genau diese Ebene betrifft. Nur nach Abschluß der Darstellung der Theorie kann
man die Beziehung zu den anderen Ebenen in Betracht ziehen. Hierbei sind einige
Beziehungen oder Übergänge zulässig, andere sind fallaziös, wie im folgenden
noch deutlich wird.

4.2 Darstellung der Positionen

Die Ebenen werden zunächst einzeln dargestellt, dann die Übergänge zwischen
ihnen als zulässige oder fallaziöse Übergänge charakterisiert.

4.2.1 Die Individual-Ebene

Bei einer wissenschaftlichen Untersuchung müssen wir uns entscheiden, welche
Art von Objekten und wieviel davon wir betrachten wollen. Wir können ein einziges
Objekt betrachten und an ihm hauptsächlich die Eigenschaften untersuchen,
die es von allen anderen Objekten unterscheidet, d. h. die es zu einem eindeutig
identifizierbaren Objekt machen. Solche Eigenschaften sind bei Personen die Ausweisnummer
oder die Paßnummer; bei Objekten wie z. B. einem Pkw die Fahrgestellnummer
oder ähnliches.

Wir können beliebige wohlunterschiedene Objekte zu einer Menge zusammenfassen
(Cantorsche Mengendefinition). Eine Menge wird dadurch angegeben, daß wir
alle Objekte aufzählen, die dazu gehören sollen (extensionales Verfahren), oder
indem wir eine Eigenschaft angeben, die alle Objekte im momentanen Kontext
haben sollen, um zur Menge zu gehören (intensionales Verfahren). Damit ist auch
die Frage, zu welchen Mengen ein bestimmtes Objekt gehört, jederzeit beantwortbar.
Ein Objekt verliert trotz Mengenzugehörigkeit seine Identität nicht. Dies wird
deswegen so stark betont, weil sich hierin die Mengenbildung und die nachfolgende
Kollektivbildung unterscheiden.

4.2.2 Die Kollektiv-Ebene

Auf der Kollektiv-Ebene werden Objekte mit einer bestimmten Eigenschaft
zusammengefaßt, mit dem Zweck, bei einer bestimmten weiteren Eigenschaft dieser
Objekte die Häufigkeitsverteilung zu untersuchen. Dazu ist es nicht erforderlich,
die Objekte des Kollektivs individuell zu kennen, es genügt zu wissen, daß sie
die kollektivbildende Eigenschaft haben und wieviele zum Kollektiv gehören (die
Anzahl). Alle weiteren individuellen Eigenschaften der Objekte können aufgrund
der gewählten Entscheidung, eine statistische Untersuchungen durchführen zu
wollen, bewußt ignoriert werden.

So können wir z. B. bei den Bohnen einer bestimmten Bohnenernte (kollektiverzeugende
Eigenschaft) danach fragen, wie lang, wie dick und wie schwer sie
sind. Länge, Dicke und Gewicht sind also die statistisch untersuchten Eigenschaften
über dem Kollektiv der Bohnen aus einer bestimmten Ernte. Das Resultat der
Untersuchung ist eine bestimmte Verteilung der Werte der Länge, meist um einen
Mittelwert mit einer bestimmten „Verteilungsbreite“. Ebenso werden auch die
anderen Eigenschaften untersucht. Man kann die Ergebnisse pro Bohne mit einander
in Beziehung setzen (Korrelationen) oder aufgrund der mathematischen Operation der Mittelwertbildung die Eigenschaften der typischen Bohne dieser Ernte
angeben: ihre typische Länge, Dicke und ihr typisches Gewicht. Aber die Frage am
Ende der Untersuchung, welche Werte die Bohne Nr.337 zur gewonnenen Verteilung
beigesteuert hat, ist sinnlos, denn es interessiert nicht die Bohne, sondern die
Verteilungscharakteristik des Kollektivs.

4.2.3 Die System-Ebene

Auf der System-Ebene kommen keine individuellen Objekte mehr vor, sondern nur
noch „typische“ Vertreter dieser Objekte. Je nachdem, ob diese Typen durch
Abstraktion aus der Individual-Ebene oder aus der Kollektiv-Ebene gewonnen
wurden, unterscheiden wir zwischen I-System oder K-System. Zum S-System gehören
dagegen „Objekte“, die überhaupt nicht durch Abstraktion gewonnen wurden,
sondern genuin auf der Systemebene etabliert wurden und sich nur durch ihre
Oppositionen und Stellenwerte wechselseitig abgrenzen.

Das S-System greift den holistischen System-Gedanken von de Saussure (1967
[1916], 136) auf, wie er sich im Begriff der Langue widerspiegelt. Der „Stellenwert“
eines Objekts im System entspricht dem Konzept des valeurs bei de Saussure
(1967 [1916], 95, 136, 139 und 145). Ein Vorschlag zur Präzisierung beider
Konzepte wurde in Mudersbach (1983a und b) dargestellt.

4.2.3.1 Das I-System

Die Objekte des I-Systems fungieren als Muster (engl. „Types“ oder „Patterns“),
die eine Menge von gleichbleibenden Eigenschaft(swert)en darstellen. Zu diesen
Mustern werden auf der Individual-Ebene Exemplare des Musters (tokens zum
type) konstruiert, so daß sie alle Mustereigenschaften gemeinsam haben (präskriptives
Muster). Z. B. sind die verschiedenen mit der Taste „a“ getippten Buchstaben
auf dem Papier verschiedene Exemplare (token) zu dem Musterbuchstaben „a“ des
I-Systems.

Auch der umgekehrte Prozeß ist denkbar: An individuellen Objekten werden
gemeinsame Eigenschaften „entdeckt“ und diese zu einem Muster zusammengefaßt
(deskriptives Muster). In beiden Fällen sind Abweichungen vom Idealmuster
möglich: im präskriptiven Fall sind dies modifizierte Exemplare, im deskriptiven
Fall dagegen „nicht-exemplarische“ oder „nicht-typische“ Vertreter des Musters
(vgl. jedoch die Fallacy F5 in 4.3).

Der Vorteil, ein Muster zur Verfügung zu haben, besteht darin, daß wir individuelle
Objekte klassifizieren können bzw. bei Vorgabe des Typs schon einiges über die
individuellen Objekte wissen, ohne daß wir sie selbst kennen. Wenn in einer
Annonce steht: „VW, Bj 1978 zu verkaufen. TÜV 1997, guter Zustand, DM —“,
dann genügt die typ-charakterisierende Angabe „Baujahr 1978“, um uns zu informieren,
daß das zum Verkauf stehende Exemplar die bestimmten Eigenschaften
des entsprechenden Typs haben muß. Voraussetzung dabei ist, daß wir den Typ
schon kennen.

Die anderen Eigenschaften charakterisieren dagegen das Objekt individuell („TÜV
1997, guter Zustand, DM …“), ohne es zu identifizieren. Erst beim Überprüfen des
KFZ-Briefes am Fahrzeug ist festzustellen, ob die angegebene identifizierende
Eigenschaft „Fahrgestellnummer“ auf das Objekt zutrifft, wobei die beiden Nummernangaben
(im KFZ-Brief und auf dem Fahrgestell) wiederum zwei token desselben
Typs sind.

4.2.3.2 Das K-System

Wenn wir das eben genannte Beispiel weiterführen und annehmen, daß wir aus statistischen
Untersuchungen wissen, daß bei diesem Modell die Heizung besonders
anfällig ist, dann haben wir ein Wissen über den dazugehörigen Kollektiv-Typ. Er
faßt alle diejenigen Eigenschaftswerte zusammen, die in der Statistik über der kollektiverzeugenden
Eigenschaft (hier „TYP vom Baujahr 1978“) auffielen, z. B.
durch einen überdurchschnittlich hohen Werkstattbesuch wegen Heizungsdefekten.
(Dies ist ein Beispiel, Ähnlichkeiten mit … sind zufällig). Wir können also aus
der Häufigkeit des Auftretens eines bestimmten Wertes („defekt“) einer bestimmten
Eigenschaft („hat Heizung“) einen Kollektivtyp bilden. Dieser Typ ist deskriptiv,
wenn er aus empirischen statistischen Untersuchungen mit einer bestimmten
Häufigkeit resultiert. Ein Kollektivtyp ist präskriptiv, wenn er fordert, daß dem
Kollektiv eine bestimmte Eigenschaft mit der angegebenen Häufigkeit zukommt.
Das Kollektiv verhält sich dann atypisch, wenn die angegebene Häufigkeit nicht
zutrifft.

4.2.3.3 Das S-System

Die Typen des S-Systems stehen innerhalb eines Ganzen, eines holistisch verstandenen
Systems, durch ihre holistischen Funktionen (Holeme) miteinander in
Beziehung (vgl. Holismus in 3.2). Diese Funktionen führen zu den obengenannten
Oppositionen bzw. unverwechselbaren Stellenwerten im System (valeurs). Ein
System-Wissenschaftler kann solche Ganzheiten entweder konstruieren, oder er
kann über einem empirischen Bereich (als Randbedingung) Eigenschaften oder
Eigenschaftswerte in bestimmte Wechselbeziehungen setzen. So sind z. B. die
Figuren in einem Schachspiel (die empirische Randbedingung) funktionale
Objekte mit Stellenwert im Ganzen des Schachspiels. Die Figuren sind nur durch
die Regeln charakterisiert, nach denen sie im Schachspiel miteinander interagieren.
Ihre materiellen Eigenschaften (ob die Figuren aus Holz oder Onyx sind) bleiben
dabei irrelevant. Die „Realisierungen“ solcher S-Objekte sollen zwar einheitlich
stattfinden und die Unterscheidbarkeit der einzelnen S-Typen gewährleisten, aber
sie sind austauschbar. So ist eine verlorengegangene Onyx-Figur durch einen Stein
ersetzbar, wenn ihm die entsprechende Systemfunktion zugeordnet wird (dieses
Beispiel findet sich auch bei de Saussure 1967 [1916], 27).

4.3 Fallacy

Beim Formulieren von wissenschaftlichen Theorien sind nun folgende Fallacies zu
vermeiden:

F1 – Fehlende Wahl der Ebene

Auf jeden Fall ist zuerst die Ebene zu wählen und damit auch, welche Art von
Objekten eine entsprechende Theorie beschreiben soll. Anzunehmen, daß man eine
Theorie formulieren könnte, die auf alle drei Ebenen und deren verschiedenen
Objekttypen zuträfe, ist eine Fallacy, durch die die folgenden Fallacies schon vorprogrammiert
sind. (Daß in den folgenden Beispielen möglicherweise sofort evident
ist, wo eine Fallacy vorliegt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie in
komplizierteren Fällen nicht so einfach ins Auge springt.)

F2 – Projektion der Kollektiv-Verteilung ins Individuum

Die Verteilung einer Eigenschaft E in einem Kollektiv wird in ein individuelles
Objekt, das zum Kollektiv gehört, hineinprojiziert. Dann hat das individuelle
Objekt nicht mehr einen bestimmten Wert bei der Eigenschaft E, sondern eine Verteilung
dieser Eigenschaft. Wenn man die kollektiv Verteilung aus lauter solchen
individuellen Verteilungen additiv zusammensetzt, erhält man zwar gerade die Kollektivverteilung
zurück, aber dies ist kein Beweis für die individuelle „Verschmiertheit“
der Eigenschaft, sondern ein „selbstbeweisender“ Zirkel in dieser
Fallacy. Sie entsteht z. B. dann, wenn man aus der Verteilung der Verwendung des
Ausdrucks „groß für einen Menschen“ in einem Kollektiv von Sprechern darauf
schließt, daß jeder einzelne Sprecher den Ausdruck „groß“ mit ‚vager Bedeutung‘
(also mit einer solchen Verteilung) verwende (vgl. Zadeh 1975).

F3 – Projektion der Kollektiv-Verteilung ins K-System

Eine Fallacy liegt vor, wenn die gesamte Eigenschaftsverteilung über einem Kollektiv
dem K-Objekt auf der Systemebene zugeordnet wird, d. h. wenn statt des
Mittelwertes das Systemobjekt mit einer „verschmierten“ Eigenschaft versehen
wird. Das ist schon deswegen sinnlos, weil eine Aussage wie „die Eigenschaft E
des K-Objekts K nimmt zu 20% den Wert E1 und zu 60% den Wert E2 an“ nicht
sinnvoll ist, denn das Objekt K ist keine Ansammlung von Objekten, über der man
eine Verteilung angeben könnte. Außerdem fehlen evtl. 20%, die in der Verteilung
außerhalb der Spitzenwerte zu finden ist. – Auch diese Fallacy läßt sich veranschaulichen,
wenn man an das Beispiel in F1 anknüpft und aus der Kollektivstatistik
jetzt schließt, daß demnach das deutsche Eigenschaftswort „groß (für Menschen)“
(also das K-Objekt) nur eine verschmierte „vage“ Bedeutung besitzt.
Wohin diese beiden Fallacies, F2 und F3, führen können, zeigt die Fuzzy Set
Theory (Zadeh 1975), so wie sie auf dieses oder ähnliche semantische Beispiele
angewandt wird. Sie offeriert einen „aufgeweichten Begriff der Mengenzugehörigkeit“,
um solche fallaziösen Aussagen – sogar mathematisch präzis – beschreiben
zu können. Wenn man jedoch die Fallacy vermeidet, bleiben die schon bekannten
statistischen Aussagen übrig, die mit Hilfe der schon längst bekannten Wahrscheinlichkeitstheorie
beschreibbar sind. Zugleich sind dann auch die Interpretationsschwierigkeiten
aufgehoben, die die Fuzzy Set Theory bei Anwendung in der
Semantik bereitet (vgl. Todt 1980). – Es wäre jedoch eine hier nicht beabsichtigte
Fallacy anzunehmen, daß die mathematische Theorie von Zadeh in sich überflüssig
wäre. Im Bereich der Mustererkennung mag sie erfolgreich sein, wenn man hier
die Fuzziness als Disposition individueller Objekte zu einer bestimmten Eigenschaftsausprägung
interpretiert. Offen bleibt jedoch auch hier, ob man diese Disposition
nicht auch durch einen dementsprechend interpretierten Wahrscheinlichkeitsbegriff
beschreiben könnte (wie das übrigens Karl Popper (1957) mit seiner
Propensity-Auffassung für die Quantenmechanik vorgeschlagen hat).

F4 – Projektion der Kollektivmittelwertes in ein Individuum

Ähnliches wie bei F2. gilt bei der fälschlichen Übertragung des Mittelwerts einer
Kollektiv-Verteilung auf ein individuelles Objekt aus dem Kollektiv: z. B. wenn
man die individuelle Familie sucht, die gerade den Kollektivmittelwert in der Kinderzahl
von 0,74 Kindern erfüllt.

F5 – Die Fragmentarisierung eines I-Typs

Diese Fallacy liegt vor, wenn man zwar für den I-Typ eine Eigenschaftscharakteristik
festsetzt oder annimmt, aber jede vorkommende Abweichung davon als „fragmentarische
Token-Bildung“ zuläßt, sofern nur einige der Eigenschaften, die zur
Charakteristik gehören, vorhanden sind. Dies ist eine Aufweichung der prägnanten
Idee des I-Musters. Sie mag zwar für die Praxis hilfreich erscheinen, verhindert
jedoch letzten Endes die erfolgreiche Klassifikation von Objekten als tokens eines
Types und läßt willkürliche Zuordnung von tokens zu verschiedenen Types zu.
So hat z. B. das wittgensteinsche Konzept der Familienähnlichkeit diese Fallacy
„hoffähig“ gemacht (Wittgenstein 1969); der Typ „Spiel“ wird nicht mehr durch
eine bestimmte Eigenschaftscharakteristik etabliert, sondern durch beliebige Teile
(Fragmente) einer solchen Eigenschaftscharakteristik. Wittgenstein scheint dieses
Konzept dadurch retten zu können, daß er die Menge aller denkbaren Spiele, also
die Extension des Begriffs „Spiel“, als abgeschlossenes Ganzes vorgibt. Aber
damit hat er sich gerade der Aufgabe entzogen, die mit dem I-Typ zu leisten ist,
nämlich denkbare Spiel-Arten auf den I-Typ zu beziehen, indem man sie anhand
der Eigenschaftscharakteristik als Spiele klassifiziert. Indem Wittgenstein also die
Aufgabe, die der I-Typ lösen sollte, vorab entschieden hat (durch Vorgabe aller
Objekte, die schon unter „Spiel“ fallen sollen), „befreit“ er die Familienähnlichkeit
(als den Ersatz für die klare Eigenschaftscharakteristik des I-Typs „Spiel“) von der
Aufgabe, die sie eigentlich hätte lösen sollen, nämlich die Klassifikation der vorkommenden
Objekte als Spiele dennoch zu leisten.

F6 – Wechsel zwischen den Typen auf System-Ebene

Ein Bündel von Fallacies besteht darin, zwischen den verschiedenen Typen auf der
System-Ebene hin und her zu wechseln, um damit zu entsprechenden Prognosen
auf der Kollektiv-Ebene bzw. Individual-Ebene zu gelangen. Ein Beispiel: Eine
Einzelsprache, z. B. das Deutsche, läßt sich in einer Grammatik (als S-System) und
einem strikt oppositiv (d. h. minimal distinktiv) aufgebauten Bedeutungswörterbuch
(ebenfalls ein S-System) darstellen – ganz im Sinne des Saussureschen
Langue-Konzepts (soweit er damit die Systemebene meint). Aber daraus folgt
nichts darüber, wie in einer Sprachgemeinschaft die Ausdrücke aktual gebraucht
werden (bei de Saussure (1967 [1916], 10, 17 und 91) wird fälschlicherweise
langue auch als „fait social“ angesehen – also als K-System, aber in Verbindung
mit der Fallacy der Ontisierung der Beschreibung, vgl. 2.1). Ebensowenig folgt
daraus etwas darüber, wie individuelle Sprecher ihre Sprachausdrücke gebrauchen
(bei de Saussure (1967 [1916], 16) trägt jeder Sprecher ein individuelles Fragment
der langue in seinem Kopf!). Hier treten bei der Übertragung des Langue-Begriffs
auf die verschiedenen Ebenen Kombinationen von Fallacies auf, von denen einige
im folgenden unter F6.1 bis F6.4 explizit gemacht werden:
F6.1 Uminterpretation der Typen des S-Systems (Grammatik oder Lexikon) als
K-Typen (des K-Systems) bzw. I-Typen (des I-Systems).

F6.2 Anschließend die präskriptive Verwendung des K-Typs (vgl. 4.2.3.2., also
keine Fallacy!) bzw. die fragmentarische Projektion des I-Typs in die Individual-
Ebene (also Fallacy F5): Hier zeigt sich, daß Saussure die individuelle
Sprache eines Sprechers nicht als Exemplar („Aktualisierung“) einer
bestimmten Langue klassifizieren, sondern sie nur als Exemplar eines Fragmentes
dieser Langue postulieren kann. Damit wird aber das Kriterium für
eine Klassifikation unter einer System-Einheit durch eine schwer kontrollierbare
Entscheidung nach anderen Gesichtspunkten ersetzt. Daran schließen
sich dann all die (unbeantwortbaren) Fragen an: z. B. wie (un)ähnlich
das Fragment zum Ausgangsmuster (als Prototyp) sein darf, um noch als
Exemplar davon gelten zu können.

F6.3 Die Übertragung der Beschreibung auf das Objekt selbst (Fallacy der Ontisierung
der Beschreibung, vgl. 2.1): statt ein Langue-Modell als eine mögliche
Beschreibung eines Sprachzustandes des Deutschen anzusehen, wird
diese Beschreibung mit dem definiten Ausdruck im Singular „die Langue
des Deutschen“ in das Objekt selbst (die Einzelsprache Deutsch) hineinprojiziert.
Dementsprechend wird dann auch ein jeweiliges Fragment der
langue des Deutschen in den Kopf eines jeden Deutsch-Sprechers hineinprojiziert.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß wir erst einen Befund
über die Sprache des individuellen Sprechers erstellen müssen (wie auch
immer), bevor wir per Entscheid diesen Befund als ein im Sprecher angelegtes
Fragment der langue des Deutschen deklarieren können.

F6.4 Während bei der „Ontisierungs“-Fallacy vorausgesetzt wird, daß das
Objekt, das beschrieben wird, schon existiert, können wir auch den Standpunkt
einnehmen, daß es die deutsche Einzelsprache als Phänomen gar
nicht gibt, sondern nur Erscheinungen in individueller Rede. In diesem
Falle würde mit dem Begriff „Die Langue des Deutschen“ das Objekt erst
zur Existenz gebracht. Wir nennen diese Fallacy daher „Existenzialisierungs-
Fallacy“.
Bei der Betrachtung der Übergänge zwischen den IKS-Ebenen gibt es noch weitere
Fallacy-Möglichkeiten, auf die hier aber aus Platzgründen nicht eingegangen werden
kann (weitere Erläuterungen und Anwendungen finden sich in Storrer 1992,
175ff. und Gerzymisch-Arbogast 1996, 22ff.).

5 Das Prinzip: Teilnehmer- vs. Beobachter-Perspektive

5.1 Das Prinzip lautet:

Bei der Betrachtung einer intentionalen Interaktion I zwischen zwei Personen P
und Q ist zu wählen, ob man I von außen beschreiben will (Beobachter-Position)
oder ob man sich in einen der Teilnehmer (P oder Q) hineinversetzen und die
Innensicht dieser Person von der Interaktion beschreiben will.

5.2 Darstellung der Positionen

Ordnen wir den Personen Indizes zu, z. B. P und Q, dann können wir „die Sicht des
Q aus der Sicht des P“ abkürzen durch: „Q/P“. Eventuell hat P auch noch eine
Hypothese über die Hypothese des Partners Q über ihn: P/Q/P. – Der außenstehende
Beobachter B dagegen kann sich in JEDEN der beiden Partner hypothetisch
hineinversetzen (P/B bzw. Q/B), oder er kann nach seinen eigenen Kriterien eine
Außenposition (/B) einnehmen (z. B. die eines Psychologen, der beide Partner
beurteilt). – Innerhalb der Theoriebildung tritt der Außenstehende B als „Konstrukteur“
der Personen P und Q und der Situation SIT auf, d. h., er ordnet ihnen die
wechselseitigen Hypothesen zu, die für die jeweilige Problemstellung relevant
sind, z. B. SIT/P, SIT/Q, SIT/P/Q, SIT/Q/P, usw.

Zusätzlich kann B die Situation SIT aus seiner eigenen Sicht konstruieren: SIT/B.

5.3 Fallacy

Eine Fallacy entsteht, wenn man die Unterschiede zwischen den Perspektiven nicht
beachtet bzw. nicht hinreichend deutlich darstellt. Denn dann schreibt man leicht
einem Teilnehmer z. B. logische Fähigkeiten bzw. Rationalität bzw. einen objektiven
Wissensstand zu, die der Betreffende nicht haben kann. So ist zwar die in der
Epistemischen Logik übliche Modellierung des „rationalen Glaubenden“ (vgl. von
Kutschera 1976, 80ff. und den Kommentar dazu in: Mudersbach 1984, 13ff.)
bequem, weil man dem Glaubenden das rationale Verhalten des Logikers einfach
zuschreiben kann, aber das geht gerade an der Wirklichkeit vorbei.

Werden die beiden Perspektiven bei der Konzipierung bzw. der Darstellung einer
Theorie nicht auseinander gehalten, dann ergibt sich dadurch leicht die Fallacy,
daß man einem oder beiden Partnern ein Wissen zuschreibt, das nur der außenstehende
Beobachter bzw. Konstrukteur haben kann.

Betrachten wir dazu als Beispiel den Dialog in einer Verwechslungskomödie: Der
Beobachter B weiß, daß die beiden Personen P und Q auf der Bühne sich mißverstehen:
P referiert mit „das schönste Mädchen im Ort“ auf Gisela:

„das schönste Mädchen am Ort“ /P = GISELA /P

während Q bei demselben Ausdruck am Hella denkt:

„das schönste Mädchen am Ort“ /Q = HELLA /Q

Um aber deren Mißverständnis als wechselseitiges Verstehen in der Teilnehmersicht
darzustellen, muß B zum einen beschreiben, daß P den Q aus seiner P-Sicht
(abgekürzt durch Q/P) auf eine Weise versteht, nämlich

„das schönste Mädchen am Ort“ /Q/P = GISELA /Q/P,

während Q den P auf eine andere Weise versteht:

„das schönste Mädchen am Ort“ /P/Q = HELLA /P/Q.

Jeder meint in seiner Innensicht (/X bzw.Y/X mit X,Y aus der Menge <P,Q>), der
andere verstehe ihn. Nur in der externen Sicht des B wird deutlich:

„das schönste Mädchen am Ort“ /P/B = GISELA /P/B ¹

„das schönste Mädchen am Ort“ /Q/B = HELLA /Q/B,

und

„das schönste Mädchen am Ort“ Q/P/B = GISELA /Q/P/B ¹

„das schönste Mädchen am Ort“ P/Q/B = HELLA /P/Q/B.

In seiner Beobachtersicht versteht B, warum sich die beiden, Q und P, mißverstehen,
weil er, B, glaubt, den Zusammenhang „richtig“ zu verstehen (vgl. Mudersbach
1987 und 1989). Wird B als Zuschauer aber wiederum vom Autor A hinters
Licht geführt und mißversteht daher den Bühnendialog, so kann B dies im Moment
des Mißverständnisses nicht wissen; der Autor muß ihm erst die Auflösung des
Mißverständnisses zugänglich machen. Luigi Pirandello spielt in seinen Stücken
auf diese Weise mit dem Verhältnis von Akteur- und Zuschauer-Perspektive, indem
er seine Autorenperspektive davon noch einmal absetzt, z. B. in „Heinrich IV“.
An der Darstellung der einfachen Verwechslungssituation wird schon deutlich, wie
genau man die Indizierung setzen muß, um den Sachverhalt richtig zu beschreiben.
Nun ist die Situation des Wissenschaftlers nicht die einer Verwechslungskomödie,
möchte man meinen, aber wie oft sieht er sich gezwungen, bevor er (=B)

  • seine eigene Interpretation des Textes von P darstellt (P/B), zuerst einmal die
    Rezeptionsgeschichte darzustellen, nämlich
  • wie der Interpret Q den P dargestellt hat (P/Q/B),
  • woraufhin der Interpret R,
  • der selbst P interpretiert hat (also: P/R),
  • die P-Interpretation des Q (also: P/Q/R)
  • als verfälschend kritisiert habe (P/Q/R ¹ P/R)/R.

Hierbei setzt /R natürlich seine eigene Interpretation als (einzig) richtige voraus
und behauptet dann, daß P/Q davon verschieden ist. Da aber die Interpretation P/Q
dem R nur in seiner Sicht, also als P/Q/R, zugänglich ist, liegt die Verschiedenheit
in der Sicht des R vor,
also: (… ¹ —)/R,
aber die verglichenen Sichten, P/Q und P/R, liegen ja beide nur in der Sicht des R
vor,
also (P/Q/R ¹ P/R)/R.

B schaltet sich daraufhin ein (also: /B) und weist nach,

  • daß R die P-Interpretation des Q (nach Meinung des B, also: P/Q/R/B)
  • mißverstanden hat: (P/Q/R/B ¹ P/Q/B)/B,

während B sich selbst von beiden Interpretationen distanzieren will:
(P/B ¹ P/Q/B ¹ P/R/B)/B.

Nicht auszudenken, wenn ein weiterer Interpret S auf den Plan träte und dem B
nachwiese, er habe seinerseits…

Die (Neigung zur) Fallacy, die eigene Sicht als absolut und unhinterfragbar darzustellen,
wird spätestens durch den skeptischen Dialogpartner und seine (divergente)
Sicht aufgedeckt. (Dies ist meine Sicht von dieser Fallacy.)

6 Das Prinzip: Interesse vs. Exhaustivität

6.1 Das Prinzip lautet:

Bei der Modellierung eines Sachbereiches können wir uns entweder nur auf den
Teil beschränken, der uns interessiert (Interessenposition), oder wir betrachten den
gesamten Rahmen, in dem unser Interesse liegt, und beschreiben diesen Rahmen
interessefrei (Exhaustivitätsposition).

6.2 Darstellung der Positionen

Bei der exhaustiven Modellierung des ganzen Rahmens ist der Rahmen nur soweit
zu fassen, daß er neben dem eigenen Modellierungsinteresse denkbare alternative
Interesse-Möglichkeiten umfassen kann. Damit wird deutlich, was es heißt, innerhalb
eines solchen „Fächers“ von Möglichkeiten aufgrund des Interesses eine
bestimmte Wahl zu treffen und damit eine bestimmte Möglichkeit oder eine Teilmenge der Möglichkeiten zu fixieren. Wir können diese Position daher auch
Fächer-Fixierungsposition nennen und die entgegengesetzte: interessenfixierte
Position.

Wenn wir z. B. die Glaubensinhalte eines Menschen modellieren wollen, dann
können wir so verfahren: Wir ordnen der Person P eine Menge von Glaubensinhalten
GL(P) zu.

Sollen wir die Frage beantworten, ob P den Glaubensinhalt g glaubt, so können wir
die Frage
G1) entweder bejahen („P glaubt, daß g“, wenn g in GL(P) enthalten ist)
G2) oder verneinen („P glaubt nicht, daß g“, wenn g NICHT in GL(P) enthalten
ist).

Wir wissen dann aber nicht, ob P g definitiv als Glaubensinhalt ablehnt, weil er die
Negation von g glaubt (Position G3: P glaubt, daß NICHT g) oder ob er indifferent
dazu steht bzw. noch nie mit der Frage, ob er g glaubt, konfrontiert worden ist.
Damit können wir unsere beiden Positionen verdeutlichen:

INT) Der interessenfixierte Modellierer des Glaubens wird nur das Interessierende
darstellen, er begnügt sich mit der Angabe GL(P).

EX) Der „exhaustive“ Glaubensmodellierer wird dagegen all denkbaren Glaubensinhalte
(den Fächer) in eine Menge GL zusammenfassen (wie auch
immer das geschehen sollte) und dann für einen bestimmten Glaubenden P
ein (exhaustives) Tripel angeben:

<GL(P), NON-GL(P), OFFEN-GL(P)>.

Dabei soll neben dem schon eingeführten GL(P):

  • NON-GL(P) alle Glaubensinhalte enthalten, deren Negation P glaubt,
  • OFFEN-GL(P) alle übrigen Glaubensinhalte enthalten, denen P, wie oben
    gesagt, indifferent gegenüber steht.

Alle drei Komponenten sollen zusammengenommen die Gesamtmenge GL ergeben,
so daß jeder Glaubensinhalt in genau einem der drei Bereiche vorkommt,
d. h., GL wird exhaustiv und disjunkte in diese drei Komponenten zerlegt.

Hieran sieht man, daß die exhaustive Position dem Ideal des vollständigen Wissens
huldigt: Für jeden Glaubensinhalt ist entscheidbar, zu welcher der drei Mengen er
gehört. In der Logischen Semantik sind die Begriffe der Extension eines Ausdrucks
und der der möglichen Welt in diesem Sinne zu verstehen. Die von P geglaubten
Glaubensinhalte lassen sich dann im Prinzip mit dem oben angegebenen Tripel
über der Gesamtmenge der (vollständig bekannten) möglichen Welten angeben
(Hintikka 1969).

6.3 Diskussion der Vor- und Nachteile der Positionen

Der Vorteil der Exhaustivitätsposition besteht darin, daß wir für jeden Fall eine
Wahrheitsbedingung oder ein anderes entscheidbares Kriterium angeben können,
weil hier der Gedanke eines vollständig bekannten funktionalen Werteverlaufs
zugrundegelegt wird. Der Nachteil ist, daß in einem exhaustiven Rahmen Fragen
auftauchen, die uns per definitionem gar nicht interessieren, die aber jetzt gestellt
werden können, auch wenn sie mit unserem unvollständigen Wissen eventuell
nicht beantwortbar oder gar in bezug auf unsere Wirklichkeit sinnlos sind. D. h.,
unsere Modellierung ist genauer, als es unsere Kenntnis über die Wirklichkeit fordert,
also über-genau.

Bei der Interessenposition wird eine Funktion nur soweit definiert, wie die Werte
interessieren (partielle Definition). Im Beispiel: eine mögliche Welt werden nur
soweit eingeführt, wie sie einem Glaubenden bekannt ist (d. h. seine Glaubensinhalte
darstellen). Der Vorteil dieser Position ist, daß wir die Fragen, die uns nicht
interessieren, auch nicht stellen können, weil sie schon aus dem für das Interesse
maßgeschneiderten Rahmen herausfallen.

Ein Nachteil dieser Position ist, daß uns neuartige Fragen gar nicht einfallen, es sei
denn, wir gestatten uns zur gegebenen Zeit eine ad-hoc-Erweiterung des Lösungsraums,
d. h. des Interessenrahmens.

Ob sich ein Wissenschaftler dogmatisch festgelegt hat, kann man daran erkennen,
daß er auf bestimmte (innovative) Fragen antwortet: „Das interessiert hier (oder:
mich) nicht.“

6.4 Fallacy

Es ist eine Fallacy, eine Modellierung, die sich bei einem bestimmten Interesse
bzw. einer bestimmten Zweckvorgabe bewährt hat, auf ein anderes (ähnliches oder
analoges) Interesse unhinterfragt zu übertragen, mit der Begründung, die Modellierung
habe sich ja schon bewährt. Ein Spezialfall davon ist die Fallacy: gleiche Wirkung,
also auch gleiche Ursache.

Es ist zunächst unökonomisch, bei einem bestimmten Interesse, den Gesamtrahmen
exhaustiv definieren zu wollen. Diese Strategie wird aber dann zur Fallacy,
wenn sie im Interessenbereich zu Fragen und Entscheidungen zwingt, die übergenau,
d. h. im Rahmen des Interesses nicht mehr relevant sind.
Wie vermeidet man nun diese Fallacy bei der Theorie-Bildung und -Darstellung?
Wenn man eine informales Modell M formalisieren will, dann kann man dies auf
zwei Arten darstellen:

INT) Entweder man führt eine Sprache L so ein, daß nur die in M gültigen Aussagen
als wohlgeformte Aussagen in L zulässig sind. L ist dann eine „maßgeschneiderte“
Sprache zu M. Z. B. ist ein vollständiges und korrektes

Axiomensystem zu M eine solche maßgeschneiderte „Sprache“.
EX) Oder man führt eine flexiblere Sprache F ein und schränkt diese durch
Postulate ein auf genau diejenigen Aussagen, die in M gelten. In diesem
Fall ist darauf zu achten, daß man in F nichts einführt, was nicht im Prinzip
in der Einschränkung auf M dann auch gebraucht wird.

(Falls dies nicht in allen Fällen möglich ist, kann man allenfalls nachträglich fordern,
daß bestimmte Fragen unter dem angestrebten Interesse irrelevant sind.)

7 Zusammenfassung: Leitkriterien zur Vermeidung von Fallacies
beim Darstellen von Modellen bzw. Theorien

Auch wenn es verwegen erscheint, holzschnittartig das hier Gesagte in eine Art
Checkliste zusammenzufassen, so meine ich dennoch, daß es dem interessierten
Leser eine Hilfe ist, wenn er sich an einen griffigen Vorschlag halten kann, den er
dann mit seinen eigenen Erfahrungen vergleichen kann.

Das Folgende ist ein Schema in Ich-Form, das man während oder nach dem ersten
Entwurf eine Theoriedarstellung in der Art einer Checkliste anlegen und ausfüllen
soll. Dabei ist dieses Verfahren auch nützlich, wenn man eine fremde Theorie für
eigene Zwecke nutzbar machen will und sie bei dieser Gelegenheit unter den vier
Prinzipien und den damit verbundenen Fallacy-Gefahren beurteilen will. Die Kontrollfragen
sind in der Reihenfolge der vier Prinzipien angegeben.

Die darzustellende Theorie T gehört zu dem Ganzen einer wissenschaftlichen
Untersuchung, die ich schon nach der FORMEL PRODAINFORMAD aufgegliedert
habe. Dabei gilt:

C1 PRO:————–

DA:———————–

IN:————————

Für die darzustellende Theorie T habe ich folgende Entscheidungen getroffen (bei
Zweifeln oder offenen Fragen werde ich diese in Klammern notieren).
C2 Ich will T unter dem ersten Prinzip
entweder atomistisch anlegen, d. h. mit dem Aufbau von Bausteinen beginnen
und

  • • das Repertoire an Kategorien,
  • das Repertoire an Grundausdrücken zu den Kategorien,
  • die Aufbau- und Umformungsregeln über den Kategorien oder Grundausdrücken
    sowie
  • die Definitionen und Abkürzungen
    angeben,
    oder holistisch beginnen, d. h. nach dem abgeschlossenen Ganzen fragen,
    das ich zugrundelegen werde,
  • dessen Zweck ich bestimme und
  • dessen Teile und Teilzwecke ich angebe.

C3 Ich habe mich für die Darstellung von Objekten auf der I-Ebene K-Ebene S-Ebene entschieden. Ich habe vor, die Ergebnisse auf eine oder die beiden anderen
Ebenen zu übertragen. Dazu habe ich geprüft, daß dies erlaubte Übergänge
sind. Ich werde die Übergänge explizit diskutieren.

C4 Ich gebe bei allen Parametern an, ob sie nicht-intentionale Objekte (G) oder
intentionale Wesen (P) betreffen. Bei einem intentionalen Wesen P reserviere
ich einen Index „/P“ für dessen Sicht.

Ich entscheide, ob ich die Objekte G aus meiner Sicht (G/ICH) betrachten
werde, oder aus der Sicht des P (G/P/ICH) oder aus sonstigen höherstufigen
Sichtweisen.

Ich bin mir bewußt, daß alles, was ich darstelle, aus meiner Sicht dargestellt
ist, auch wenn ich den Index /ICH meist weglassen werde.

C5 Die Darstellung von T ist mit dem Interesse verbunden, eine angemessene
Lösung des angegebenen Problems zu finden. Darüber hinaus habe ich ein
Interesse daran, mich mit der Darstellung auf die spezifischen Kenntnisse
des Leserkreises einzustellen. Dazu habe ich meine Hypothesen über den
Kenntnisstand des potentiellen Lesers zu formulieren versucht, soweit dies
sinnvoll und hilfreich ist.

Jedes weitere Interesse (bzw. jeden weiteren Zweck) der Darstellung gebe
ich explizit an.

Ich gebe auch explizit an,

F) ob ich T in einer allgemeinen flexiblen Beschreibungssprache angeben
möchte oder

L) ob ich versuche, eine maßgeschneiderte Beschreibungssprache L
zugrundezulegen.

F) Im Falle von F) gebe ich, wie in C2. dargestellt, einen atomistischen
Aufbau der Beschreibungssprache anhand von Repertoires und Regeln
an.

Anschließend formuliere ich die Postulate und Umformungsregeln, die
die Sprache F auf die Aussagen der Theorie T einschränken.

L) Im Falle L) wähle ich die Darstellung einer maßgeschneiderten Sprache
L, in der nur solche Ausdrücke wohlgeformt sind, die Bestandteil der
Theorie T sind.

Sie können mich gern als potentiellen Leser Ihrer Ausführungen betrachten und
mir Ihre Ergebnisse und Erfahrungen zuschicken. Sie haben dabei sogar einen einzigartige
Vorteil: Sie haben ganz klare Hypothese über den Kenntnisstand und die
Erwartungen dieses Lesers…

Literatur

Aristoteles: Poetik. In: Barnes, Jonathan (ed.) (1984): The Complete Works of Aristoteles. Princeton:
Princeton University Press

Gerzymisch-Arbogast, Heidrun (1996): Termini in Kontext. Tübingen: Narr

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